Fundamente des Zuchterfolges

Grundsätzliche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Rassekaninchenzucht.

Quelle: Diesen für alle Züchter sehr lehrreiche und wertvolle Beitrag hat Fritz Waibel in der Deutschen Kaninchenzeitung 8/10 gelesen und empfiehlt ihn zum Studium!
Verfasser: Bernhard Pickert.

Zuchtwahl und Paarung
Der Begriff „Züchten“ ist nicht mit „Vermehren“ zu verwechseln. Denn der Züchter muss vor der Paarung eine planmässige Wahl der Zuchttiere treffen, um dem gesteckten Zuchtziel näher zu kommen. Aus einer Vielzahl vorhandener Tiere dürfen folglich nur die besten Rassevertreter zur Fortpflanzung eingesetzt werden. Wer in der Zucht vorankommen möchte, muss daher eine möglichst breit gefächerte Nachzucht besitzen, um daraus die Tiere mit den besten Erb- und Leistungsanlagen auswählen zu können. Die Zuchttiere sollten folglich die höchste Gewähr in sich bergen, bessere Nachkommen hervorzubringen. Züchten beinhaltet demnach – auch wenn es hart klingen mag – ein strenges Auswählen, Selektieren und Aussondern.
Die Zuchtwahl richtet sich zunächst auf das Exterieur, also auf die äusseren Merkmale von typgerechten Vertretern ihrer Rasse und ihres Geschlechts und weiter auf die gesamte körperliche Verfassung. Besonderes Augenmerk ist dabei auf gesunde, robuste, kräftige, leistungsfähige, fruchtbare, frohwüchsige, frühreife und futterdankbare Vertreter ihrer Rasse zu richten, die vermuten lassen, dass sie ihre guten Leistungsanlagen mit relativ hoher Sicherheit auch auf die Nachkommen übertragen.
Äussere Anzeichen für Gesundheit und Leistungskraft sind ein glänzendes Haarkleid, ein der Rasse entsprechendes Temperament, ein klarer Blick und die standardgerechte Körperform. Kräftige Kaninchen lassen eigentlich immer auf eine gute Fresslust schliessen und geben die Gewähr für beste Futterausnutzung und gut entwickelte Organe. Tiere in einer solchen Verfassung sind ganz offenbar in der Lage, ihr Futter in Leistung umzuwandeln. Sie erweisen sich daher auch aus ökonomischer Sicht als besonders wertvoll.
Der Züchter strebt bei aller Zuchtarbeit einem von ihm gesteckten Ziel, respektive dem von der Standardbeschreibung vorgegebenen Idealbild entgegen. Wer sich mit Tierzüchtung befasst, muss sich immer darüber klar sein, dass solche Arbeit nicht in wenigen Monaten geleistet werden kann, sondern dass Jahre, Jahrzehnte und nicht selten ein ganzes Züchterleben dafür benötigt wird. Durch Rückschläge und Misserfolge darf sich der Züchter also nicht entmutigen lassen.
Konstante Zuchtergebnisse setzen die kritische Überprüfung der Vorfahren und deren Nachkommen voraus. Eine fortlaufende Prüfung der Leistungsmerkmale ermöglicht uns eine zuverlässige Einschätzung des wirtschaftlichen und züchterischen Wertes der Tiere und bietet zugleich die Möglichkeit, Versager und Blender mit Sicherheit zu erkennen und rechtzeitig auszusieben. Wichtig ist dabei die Dokumentation, die Führung des Zuchtbuchs. Die Aufzeichnungen geben Aufschluss über die Zucht- und Leistungseigenschaften der Tiere und ihrer Vorfahren. Doch die Elterntiere können stets nur das vererben was sie selbst an Erbgut in sich tragen. Zu den Aufzeichnungen im Zuchtbuch gehören daher auch nützliche Details über Entwicklungsvermögen, Gewichtszunahmen, Körperbau, Widerstandsfähigkeit, Frohwüchsigkeit, Muttereigenschaften, Milchergiebigkeit, Behaarungsqualität, Fleischausbeute, Fruchtbarkeit usw.
Da das Vatertier, der Zuchtrammler, im allgemeinen Sprachgebrauch „die halbe Herde“ darstellt, hat man diesem Tier ein besonderes Augenmerk zu schenken. Sämtliche Nachkommen erhalten die Erbmasse zu gleichen Teilen vom Vatertier und von der Mutter. Ob und wie sich die Erbmasse eines Rammlers den einzelnen Häsinnen gegenüber in den Nachkommen durchsetzt, ist leider recht unterschiedlich. Oft ist es so, dass sich einzelne Eigenschaften des Vaters durchschlagend gegenüber vielen oder sogar fas allen mit ihm verpaarten Muttertieren vererben, so dass die Nachkommen diese Vatereigenschaften zeigen. Sind dies erwünschte Eigenschaften, sollte man ein derart kostbares Vatertier so lange wie möglich zur Zucht verwenden.
Sämtliche Leistungseigenschaften müssen züchterisch stabilisiert werden. Sie setzen die Verpaarung von typgerechten, erbfesten, gesunden und leistungsfähigen Zuchttieren voraus Diese Eigenschaften kommen aber niemals zur vollen Entfaltung, wenn Fütterung, Haltung und Pflege der Jungtiere vernachlässigt werden.

Fütterung
Die Entfaltung der vorhandenen Erbanlagen erfordert eine jederzeit bedarfsgerechte Fütterung, und zwar mengenmässig ausreichend und vielseitig in der Zusammensetzung. Die richtige Fütterung setzt daher umfassende Kenntnisse der Ernährungslehre voraus. Denn vorrangiger Zweck der Fütterung ist, dass beim Tier möglichst alle vom Züchter gewünschten Merkmale zur vollen Entfaltung kommen.
In jeder Wachstumsperiode müssen die einzelnen Nähr- und Mineralstoffe im richtigen Verhältnis aufeinander abgestimmt sein. Ist dies nicht der Fall, so ist die Fütterung nicht nur unausgeglichen und unharmonisch, sondern auch unwirtschaftlich. Zudem übt ein falsches Nährstoffverhältnis auf die Körperverfassung und die Gesundheit einen ungünstigen Einfluss aus.
Eiweiss wird bei dem verhältnismässig raschen Wachstum unserer Kaninchen vor allem in der Jugendentwicklung benötigt. Eiweisse kommen daher beim Aufbau des Körpers und der Fleischbildung zum Einsatz. Nicht zu vergessen ist, dass Eiweisse von keinem anderen Nährstoff ersetzt werden können. Das rasche Wachstum der Jungtiere – sowohl im Mutterleib als auch nach der Geburt – setzt deshalb eine angemessen eiweissreiche Ernährung voraus. Es ist daher unbedingt notwendig, die Jungtiere, aber auch trächtige und säugend Häsinnen entsprechend reichhaltig zu versorgen.
Durch Anwendung der Fachkenntnisse über Futtermittel und Fütterungstechniken kann auch das Fleisch-Fett-Verhältnis beeinflusst werden. Kohlehydrate sind in erster Linie Energieträger und dienen dem Vollzug der Lebensfunktionen. Ein Überschuss tritt durch Fettbildung in Erscheinung. Rohfasern und Ballaststoffe stillen das Hungergefühl und beeinflussen die Verdauung. Gutes Heu und Stroh sollte den Kaninchen daher zur ständigen Aufnahme zur Verfügung stehen.
Auch die Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente spielen angesichts der Schnellwüchsigkeit unserer Kaninchen eine grosse Rolle. Einen besonders hohen Mineralstoffbedarf haben heranwachsende Jungtiere, trächtige und säugende Häsinnen. Gesunde Futtermittel enthalten selbstverständlich auch alle diese lebenswichtigen Inhaltsstoffe.
Um die volle Auswertung der Einzelkomponenten im Verdauungskanal zu erreichen, müssen den Tieren bekömmliche, schmackhafte und saubere Futtermittel gereicht werden. Und auch die Regelmässigkeit, die pünktliche Fütterung, spielt eine grosse Rolle. Es obliegt also nicht zuletzt der Fertigkeit des Züchters, die Futtermittel im Jahresverlauf so zusammenzustellen und zu verabreichen, dass die Kaninchen ihre wertvollen Erbanlagen vollständig entfalten können.

Haltung und Pflege
Da auch die Haltungsweise einen grossen Einfluss auf die Entwicklung und Leistungsfähigkeit unserer Kaninchen ausübt, ist der Stallfrage eine besondere Bedeutung beizumessen. Grundsätzlich ist den Tieren genügend Tageslicht (ohne übermässige Sonnenstrahlung), saubere Luft und ein angemessener Stallraum bei entsprechender Umgebungstemperatur zu gewähren. Die Buchten unserer Kaninchen müssen naturgemäss auf die Körpergrösse der jeweiligen Rasse abgestimmt sein. Grossen Rassen billigte man schon immer eine grössere Stallfläche als mittleren und kleinen Rassen zu.
Zweckmässige Kaninchenställe sind hell, trocken, luftig (aber nicht zugig) und werden aus geeignetem Material errichtet. Sie bieten die Grundlage für einen gesunden Kaninchenbestand. Schlechte Stallungen hingegen – eng, dunkel, stickig und aus ungeeignetem Baumaterial fabriziert – bewirken genau das Gegenteil. In solchen Unterkünften leiden Gesundheit, Lebens- und Widerstandskraft der Tiere. Das möglicherweise in den Erbanlagen schlummernde Leistungsvermögen wird durch die schlechten Umweltbedingungen an seiner Entfaltung gehindert.
Frische Luft und Bewegung begünstigen die gute Entwicklung aller Körperorgane, die wiederum Gesundheit, Lebenskraft und Leistung heben. Nur Tiere, die sich wohlfühlen, werden es dem Züchter mit hoher Wirtschaftlichkeit danken.
Zur gesunden Haltung gehört selbstverständlich auch die entsprechende Pflege. Hier sei speziell die Reinhaltung der Stallungen angemerkt, aber auch die individuelle Körperpflege darf nicht vergessen werden. Erst die persönliche Hingabe des Züchters, die gefühlvolle Behandlung erweckt das Zutrauen der Kaninchen. Die ständige Beobachtung des Bestandes gibt Aufschluss über das Wohlbefinden, die Entwicklung und den Gesundheitszustand der Kaninchen und lässt den Tierpfleger rechtzeitige Massnahmen ergreifen.
Speziell der Neueinsteiger sollte wissen, dass all diese Grundvoraussetzungen entscheidend mit dazu beitragen, unsere Zuchten zu festigen und zu stärken, um nicht zuletzt viel Freude und Erfolge bei unserer Passion zu erleben.