Für den Züchter spielen die äusserlichen Merkmale des Kaninchens eine bedeutende Rolle. Mit diesen Merkmalen möchte er sich vor allem den Vorgaben des Standards annähern. Doch von ganz erheblicher Bedeutung sind auch die sogenannten Vitalitätsmerkmale. Unter anderem zählen hierzu die Widerstandskraft eine Tieres, seine Frohwüchsigkeit und Futterdankbarkeit, das problemlose Aufwachsen, Gutartigkeit oder die Muttereigenschaften.
Wildkaninchen können in der freien Wildbahn nur überleben, wenn sie über vorzügliche Vitalitätseigenschaften verfügen. Die Tiere sind widerstandsfähig gegenüber schädlichen Einflüssen und verfügen über hoch entwickelte Sinne. Die Häsinnen werfen viele Junge und haben mehrmals im Jahr ihre Würfe. Sie geben auch bei schwierigen Futterverhältnissen noch ausreichend Milch, um die Jungtiere zu versorgen.
Auch in der Wirtschaftskaninchenzucht achtet man sehr auf solche Eigenschaften, doch in der Rassenkaninchenzucht werden sie leider allzu oft „übersehen“, weil ein bestimmtes Tier eben sehr gute Anlagen im Sinne der Musterbeschreibung besitzt. Dies aber kann fatale Folgen haben, weil sich ungünstige Leistungseigenschaften genauso weitervererben wie gute und erwünschte Merkmale.
Fruchtbarkeit, Milchleistung oder Gutartigkeit sind Eigenschaften, die züchterisch erhalten und womöglich noch gestärkt werden müssen. Schwache Würfe lassen es nötig erscheinen, die Zuchtzeit lange bis in den Frühsommer auszudehnen, weil man einfach nicht genügend Nachzucht erhält. Setzt man immer wieder Häsinnen mit schwachen Würfen ein, so könnte sich auf Dauer die Anlage für eine geringe Wurfstärke im Stamm festigen. Es ist also wichtig, dass man der Wurfstärke hohe Bedeutung beimisst.
Gute Eigenschaften bezüglich der Aufzucht und Nachzucht sind demnach etwa Milchreichtum, eine genügend grosse Anzahl von Zitzen, hohe Wurfzahlen und das umstandslose Aufziehen der Jungen. Nun kommt es zwar vor, dass Junghäsinnen beim ersten Wurf ihre Jungen verstreuen oder nicht gleich genügend Milch geben usw. Hier sind die entsprechenden Steuerungshormone etwas „langsam“. Gewöhnlich kommt es aber binnen weniger Stunden dazu, dass sich alles normalisiert. Doch wenn eine Häsin stets Umstände mit der Nachzucht macht, so sollte man wirklich überlegen, ob man ein solches Tier weiter einsetzt.
Es gibt Zuchtstämme, die anfällig für alle möglichen Unpässlichkeiten sind, andere Linien hingegen sind wesentlich unempfindlicher. Auch die allgemeine Widerstandskraft ist also ein wichtiges Merkmal, das es auf züchterischem Wege zu fördern gilt. Niemand wird bezweifeln, dass es erbliche Zusammenhänge mit einer Vielzahl von Erkrankungen gibt, die sehr wohl durch eine entsprechend kritische Zuchtwahl zu beeinflussen sind.
Schnelle Gewichtszunahmen sind ein wertvolles Erbe des Wildkaninchens. Auch dieser „Wirtschaftsfaktor“ ist von erheblicher Bedeutung und verdient unsere Zuwendung. Es gilt, die günstigen Anlagen nach Kräften zu fördern und in einem Stamm zu verankern. Es gibt bei allen Rassen gewisse Schwankungen, denen man durch vergleichende Wägungen mühelos auf die Schliche kommen kann. So gibt es Stämme, die mit relativ wenig Futter gedeihen, während andere geradezu gemästet werden müssen, um das standardmässige Normalgewicht zu erreichen. Es erübrigt sich zu erwähnen, was mehr Aufwand und Kosten verursacht. Somit ist auch die Futterdankbarkeit ein hohes Gut, das vom Züchter zu beachten ist.
Hin und wieder kommen wilde, ängstliche oder aggressive Tiere vor. Hierzu muss man wissen, dass die Anlage zur „Wildheit“der für „Zahmheit“ in der Regel sogar überlegen ist. Es gilt also, die Zutraulichkeit der Tiere bis hin zur Unempfindlichkeit der Häsin am Nest zu fördern. Wir haben mit zutraulichen Kaninchen schlussendlich auch viel weniger Umstände bei der Vorbereitung für die Schauen.
Quelle: KANINCHENZEITUNG 2/2010 Verfasser: A. Ost